Bier ist politisch – Teil 2

Dorfbrauerei Stegelitz „Die braut“ – Update

Artensterben, Klimakrise, Corona, Krieg in der Ukraine, Flucht nach Westen, globale Nahrungsmittelkrise, zweite Fluchtbewegung von Süden nach Norden, die Krisen jagen sich – nein, eigentlich sind sie alle gleichzeitig da. Die ganze Zeit denke ich: wie kann man denn über eine kleine Brauerei in der Uckermark sprechen, wenn nebenan Krieg ist?! Aber es ist ja die ganze Zeit Krieg! Im Jemen, in Syrien, immer noch, im Donbass. Und Klimakrise und Artensterben machen ja keine Pause, weil Menschen Kriege anzetteln.

Ich finde: Jetzt erst recht. Gerade jetzt brauchen wir gute Nachrichten!

Und die Krisen hängen ja alle miteinander zusammen. Alle. Sie bedingen und verstärken sich gegenseitig. Und genauso aber auch: mit jeder Stelle, wo ich anfange, etwas zu verändern, ganz klein, fängt das Ganze an, sich zu verändern. Es macht einen Unterschied, wenn ich das Fahrrad nehme und nicht das Auto. Es macht einen Unterschied, wenn wir unser Bier da kaufen, wo es produziert wird, anstatt den Großkonzernen unser Geld dafür zu geben. Und deshalb will ich trotz allem berichten, wie es weitergegangen ist mit der Dorfbrauerei Stegelitz: die Fortsetzung von meinem Blogbeitrag „Bier ist politisch“ von vor zwei Jahren.

Es war ein langer, harter Weg für Sarah und Joe. Länger als geplant – und härter als sie es sich vorgestellt hatten.

Businessplan, Kreditaquise, Crowdfunding-Kampagne, Fördermittelanträge – der Traum fängt an, auf die Welt zu kommen. Die erfolgreiche Startnext-Kampagne wird der Grundstein für die Finanzierung.

Der Umbau- und der Baustellenplan werden erstellt, der Bauantrag wird eingereicht.

Eine Brauerei braucht eine eigene Abwassergenehmigung. Das 500-Einwohner*innen-Dorf Flieth-Stegelitz hat nicht nur eine eigene Kanalisation sondern auch eine biologische Pflanzenkläranlage – sehr fortschrittlich, aber eben auch mit besonderen Auflagen verbunden. Eine technische Lösung wird gefunden, eine Grube wird ausgebaggert für den riesigen Abwassertank.

Und dann Corona. Joes Kneipe in Eberswalde, wichtig für den Bierverkauf und fürs Familieneinkommen, wird geschlossen, Fensterverkauf ist kein Ersatz. Flaschenbier ist jetzt gefragt, das ist viel aufwändiger als direkter Ausschank oder Fassverkauf. Sarah und Joe machen das Beste draus und verlieren nicht i8hren Humor. Sie investieren in eine Abfüllanlage, Flaschen und Etiketten, was sie eigentlich für später geplant hatten. Es gibt „Krisenbier“. Denn neben allem anderen brauen die beiden die ganze Zeit, jetzt in der befreundeten Berliner Brauerei Hops & Barley, und verkaufen ihr Bier.

Gleichzeitig müssen Haus und Hof und vier Kinder versorgt, Homeschooling überwacht und Geld verdient werden.

Endlich: die Bauanträge sind genehmigt, die Finanzierung steht im Großen und Ganzen. Eine Finanzierung, die komplett ohne Geld von der Bank auskommt, das muss man erstmal hinkriegen. Gegründet wird mit Kapital aus Crowdfunding, Privatkrediten, LEADER-Förderung und Regionalwert-Beteiligung.

Der Umbau kann beginnen. Erstmal wird abgerissen. Viel wird selbst gemacht. Profis aus der Gegend machen hervorragende Arbeit.

Neben Abriss und Baustelle müssen die Brauanlage geplant und Angebote recherchiert werden.

Dass die Anlieferung der Gärtanks sich verzögert – sie stecken im Suezkanal fest – kann neben all dem anderen Stress kaum noch erschüttern. Sarahs Gelassenheit war realistisch: Monate verspätet kommen sie endlich an.

Eine besondere Herausforderung war dann noch die Aufstellung und Inbetriebnahme der nagelneuen, teuren Anlage. Und so sieht sie jetzt aus, die fertig eingerichtete Dorfbrauerei Stegelitz „Die braut“.

Im September 2021 wird Eröffnung gefeiert. Mit der Live-Band FloBer, die für „Die braut“ einen eigenen Song komponiert haben.

„Die braut“ produziert richtig leckeres Bier, handwerklich gebraut, konsequent ökologisch und sozial – mit Ökostrom, Respekt für die Nachbarschaft, fairen Löhnen, in regionalen Wirtschaftskreisläufen und allem, was dazugehört. Variationen klassischer Biere einerseits, Spezialitäten andererseits.

Sie verkaufen direkt ab Brauerei: Flaschen, Fässchen und Sixpacks, außerdem in ausgewählten Läden, Gaststätten und Restaurants in der Umgebung. Im Sommer auch auf Dorffesten, Festivals und Märkten.

Sarah und Joe haben es geschafft, viele Menschen von ihrer Idee und ihren Idealen zu überzeugen. Es gibt unglaublich viele Menschen, die Ideen, Herzblut, Arbeit und Geld in eine nachhaltige, zukunftsfähige Wirtschaft investieren und Projekte wie diese Betriebsgründung möglich machen. Wie bestärkend und motivierend ist es doch zu erleben, dass tatsächlich ein Wandel stattfindet!

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