
Alles ist gelb vertrocknet diesen Sommer. Heiß ist es. In der Sonne kann man es kaum aushalten. Im Wald ist es immer ein paar Grad kühler, hier kann man aufatmen.
Plötzlich, mitten im Wald: Ein Springbrunnen!

Wie kann das sein? Es hat viel zu wenig geregnet. Wo kommt das Wasser her? So viel! Wieso sprudelt es hier so kräftig?
Es ist die Paulinenquelle. Früher bekamen wir hier unser Wasser her, jetzt nicht mehr.
Ich will wissen, was es auf sich hat mit der Paulinenquelle und überhaupt mit dem Trinkwasser – ich habe einen Termin im Wasserwerk. Mein Weg zu den Stadtwerken Marsberg führt am Fluss entlang, an der Diemel.



Ich weiß noch, früher, gab es am Fluss so Stege aus Holz, da haben die Frauen Wäsche im Fluss gewaschen. Die Laken und Tischtücher wurden dann zur Bleiche auf den Wiesen ausgebreitet. Leinen kriegt leicht Stockflecken, es schimmelt. Die Sonne trocknet und desinfiziert mit UV-Bestrahlung. Jetzt ist da eine Minigolfanlage, das Bleichhaus ist ein Café.
Von der Hameke-Brücke an flussabwärts durften wir als Kinder nicht mehr mit den Füßen ins Wasser. Hat auch gestunken. Hier war früher der Schlachthof.
Die Diemel ist wieder sauber. Ein schöner Fluss mit natürlichem Lauf. Vor allem im Oberlauf kann sie zum Wildwasser werden. Es gibt dort eine Talsperre. Früher, als es noch Schnee gab im Winter, war die Talsperre im Frühjahr immer so voll, dass Wasser abgelassen werden musste. Dann kamen von überall her die Kanufahrer*innen zum Wildwasserfahren.

Papierfabriken brauchen viel Wasser. Es gibt eine, oberhalb, ein europaweit tätiger Familienbetrieb. Irgend jemand hat mir mal erzählt, Mitarbeiter der Papierfabrik, die auch Angler waren, hätten sich dafür eingesetzt, dass die Papierfabrik eine biologische Kläranlage baute. Im Marsberger Anglerverein kann man mir das nicht bestätigen.
Aber die Papierfabrik hat eigene Wasserrechte. Sie dürfen aus der Diemel Wasser entnehmen, aber nur so viel, wie die Talsperre erlaubt. Das weiß ich von Herrn Frericks, dem Betriebsleiter der Stadtwerke Marsberg.
Herr Frericks und Herr Siebrecht, sein Stellvertreter, haben sich Zeit genommen für ein Interview. Bei einem zweiten Termin hat mir Herr Frericks alles gezeigt. Vielen Dank!
Herr Frericks begrüßt mich: „Sie haben ja schönes Wetter mitgebracht! Das ist unser Erntewetter.“ Er meint den Regen – seit Wochen hat es mal wieder ein bisschen geregnet. Entweder regnet es gar nicht oder es regnet so stark, dass das ganze Wasser die Hänge runterfließt und mit Erde vermischt in den Bächen und Flüssen landet statt im Grundwasser. Trotz der extremen Dürre diesen Sommer hatten sie in Marsberg noch keine Probleme mit der Wasserversorgung. Das Wasser kommt aus Vasbeck, einem relativ sicheren Regengebiet.
Herr Frericks fährt mit mir und einer Auszubildenden zu einem der Brunnen, wo das Wasser herkommt. Ich hab mich immer schon gefragt, wie es wohl in diesen Wasserhäuschen aussieht, die man manchmal oben im Wald stehen sieht.
Es geht unter die Erde, und es wird laut. Die Pumpen fördern 160 m³ Wasser in der Stunde, etwa 3000 m³ am Tag, aus 112 Metern Tiefe. Es gibt hier eine starke, zuverlässige Wasserader. Dieser Brunnen, zusammen mit zwei weiteren in der Nähe, versorgt die Gemeinden Marsberg und Diemelsee mit Trinkwasser. Über die Landesgrenze hinweg teilen sie sich die Aufgaben. Das klappt gut, sagt Herr Frericks.
Ein Gras- und Blumen-bewachsener Hügel am höchsten Punkt der Landschaft: der Hochbehälter. Hier wird das Wasser aus den Brunnen gesammelt. Und weitergeleitet in die Gemeinden und Dörfer – und in die Wasserhähne. Das geht ohne Pumpen, allein mit dem Gefälle. Der Druck ist so stark, dass das Wasser gebremst werden muss, es würde sonst die Duschgarnitur aus der Wand reißen.
Als Herr Frericks das Fenster zu einem der Trinkwasserbehälter aufmacht, verstehe ich zuerst gar nicht, was ich sehe. So klar ist das Wasser. Es ist beeindruckend.

Es sind zwei Wasserbehälter – zur Sicherheit, wenn mal was gereinigt oder repariert werden muss. Sie fassen 3000 m² Wasser, die Tagesmenge, die verbraucht wird. Das Wasser wird nie älter als einen Tag. Es gibt eine Chlorierungsanlage, aber nur bei Verschmutzung wird gechlort, normalerweise nicht.
Braucht man auch nicht, weil es eine Biogasanlage gibt. Wir fahren zur Biogasanlage. Zu Biogasanlagen gibt es ja auch Kritik – wegen Maisanbau für Biogas und -Sprit usw. Jetzt verstehe ich, wieso die Biogasanlage so wichtig ist. Und was das mit der Paulinenquelle zu tun hat.
Die Bauern bringen ihre Gülle und ihren Mist, vorher und nachher wird gewogen. Alles wird gesammelt: Ganzpflanzensilage, Gülle, Mist und was sonst noch geeignet ist. Das wird gemischt und kommt in den Fermenter. Das fermentierte Substrat wird anschließend auf 70° erhitzt – und kann dann, durch das Erhitzen keimfrei, auf den Acker. Nicht in jeder Menge und auch nicht jederzeit, deshalb gibt es ein Zwischenlager. Das Biogas, das entsteht, wird verstromt, der Strom wird genutzt für die Hygenisierung bei 70°.
Wenn man verantwortlich mit den natürlichen Ressourcen umgehen will, gehört das, was hinten rauskommt, dazu. Wir fahren zur Kläranlage. Herr Plücker, Elektromeister und Fachkraft für Abwassertechnik, hat sich Zeit genommen für eine Führung. Auch an ihn einen herzlichen Dank!
Ich bin überrascht: es stinkt fast gar nicht, das hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Im ersten Gebäude werden die groben Teile aus dem Abwasser rausgekämmt, dann kommen der Sand- und der Fettabscheider.
In einer doppelten Anlage wird das vorgereinigte Wasser mit Sauerstoff versprudelt und durch ein langsames Geschlängel geleitet, wo sich der Schlamm absetzt.
Das gereinigte Wasser sprudelt rein und klar aus dem Sammelbecken und wird in die Natur zurückgegeben, in den Fluss.



Mit dem Schlamm geht es unterirdisch weiter. Wir steigen eine Treppe runter. Unter dem Rasen: endlose Gänge mit dicken Rohren. 200m³ werden in der Sekunde durchgepumpt. Bevor sie vermischt und in den Faulturm eingelagert werden können, werden ein Verdickungsmittel und bei Bedarf weitere Hilfsmittel zugefügt.
Im Faulturm wandeln Bakterien die organischen Bestandteile im Schlamm um – die anaerobe Phase. Das funktioniert ähnlich wie im Gärtank einer Brauerei. Dabei entsteht Methangas: das Blockheizkraftwerk liefert die 37 Grad, die die Bakterien brauchen. Wenn sie nichts mehr zu fressen finden, ist das Gärsubstrat reif und wird abgelassen.
Zum ersten Mal höre ich, dass es den Beruf „Klärwerkstaucher“ gibt. Die steigen in den Faulturm rein, wenn da irgendwas blockiert ist oder nicht stimmt. Wahnsinn!
Zurück zur Paulinenquelle – und zum Springbrunnen im Wald.





Als ich Kind war, war der Wald immer voller Kinder. Sonntags ging man mit der ganzen Familie zur Paulinenquelle, mit Streuselkuchen und Himbeersaft. Es gab auch Gastronomie, manchmal mit Tanzvergnügen. Ein Ort, wo man sich traf, manchmal war es schon fast zu voll. Heute trifft man vereinzelt mal eine*n Wanderer*.
Im Wasserwerk frage ich nach der Paulinenquelle, das Wasser von der Paulinenquelle war besonders gutes Wasser. Herr Siebrecht ist schon länger dabei und weiß: die Paulinenquelle wurde in den 90er Jahren vom Wassernetz genommen, sie war zu sehr mit Nitrat belastet, durch die Landwirtschaft auf den Feldern oberhalb.
Das ist jetzt zwanzig Jahre her, durch die Biogasanlage wird nicht mehr mit Gülle gedüngt („Jauche“ heißt sie im Sauerland). Man könnte die Quelle wieder nutzen. Das wäre sehr aufwändig, wegen der Neueinrichtung des Schutzgebietes, deshalb hat man das noch nicht gemacht, aber sie ist nicht vergessen. Herr Frericks denkt weiter: sie könnte wieder interessant werden, wenn man neu nachdenkt über die Wassernutzung. Sehr viel Wasser wird verbraucht für Prozesse, für die eigentlich kein Trinkwasser nötig wäre.
Auf meine Frage, was seine Vision für seine Arbeit ist, antwortet Herr Frericks: „Die Gesellschaft dazu anzuhalten, einen respektvolleren Umgang mit unseren begrenzten Ressourcen und eine bewusstere Nutzung dieser an den Tag zu legen.“ Wie schön, dass es in so lebenswichtigen Positionen heute Menschen gibt, die das Ganze im Blick haben!









Dieses ganze Wassersystem: die doppelte Anlage bei lebenswichtigen Funktionen, die Pumpen, die feinen Verästelungen der Leitungen bis in die Häuser, die Umwandlung und Ausscheidung – das erinnert an unseren Körper.
Wenn da was reingerät, was nicht reingehört, oder etwas weggenommen wird, was lebenswichtig ist, wenn die Kreisläufe stocken und nicht mehr im Kreis laufen, dann bricht alles zusammen. Unser Körper stirbt.
Das große Ganze, die Kreisläufe der Erde verändern sich und passen sich an. Kann schon mal passieren, dass dabei eine Art oder fast alle Arten aussterben. Ist schon öfter passiert.
Bisher ging das Leben immer weiter, vielleicht ist auch neues entstanden.
Nur in anderen Formen.
Beim nächstenmal sind wir Menschen vielleicht nicht mehr dabei.

Mein Lieblingsgetränk? Wasser. Leitungswasser. Das sauberste, am besten getestete, billigste und leckerste Getränk, was es gibt – jedenfalls in Deutschland.

Prost! Bis zum nächsten Mal.