
Das Zeichnen hat mich gerettet. KRIEGERSTOCK war mein erster Comic. Wenn ich den nicht gemacht hätte in der Situation damals, bei der Pflege meines Schwiegervaters, das wär nicht gut gegangen.
Der Schwiegervater kam nicht mehr allein zurecht. Ins Heim wollte er nicht, wir hatten Platz, ich mochte ihn – also kam er zu uns. Er war 84. Er brauchte Hilfe. Beim An- und Ausziehen, beim Waschen. Ich bin mit ihm spazieren gegangen, zum Arzt, zum Einkaufen. Und oft saß ich dann da und habe gewartet, dass er sich sein Hemd zuknöpft, mit dem Rasieren, dem Waschen fertig wird. Und ich wurde immer nervöser und ungeduldiger, weil ich ins Atelier wollte und mir die Zeit davonlief. Wenn er dann endlich fertig war, wir gefrühstückt hatten und ich an meine Arbeit konnte, hatte ich vielleicht gerade eine halbe Stunde vor meiner Skulptur gestanden, mich wieder hineingedacht und wusste, wie es weiterging, da rief er mich, weil er die Fernsehzeitung nicht fand. Bald hatte ich keine Lust mehr, überhaupt noch anzufangen.
Aus lauter Frust habe ich dann irgendwann angefangen, ihn zu zeichnen. Immer wenn ich auf ihn warten musste. Im Alltag. Beim Waschen, beim Anziehen, beim Rasieren, beim Essen. Und er hat seine Geschichten erzählt. Vom Krieg. Von der Kindheit in Ostpreußen – Zeitgeschichte.

Er hat aus seinem Leben erzählt, ich hab gezeichnet. So hatte ich bald einen Haufen Zeichnungen und jede Menge Geschichten. Nun bin ich immer schon Comic-Fan gewesen – was lag also näher, als einen Comic daraus zu machen!
Das Gute beim Zeichnen war: ich konnte die Arbeit gut unterbrechen, wenn er mich brauchte, und danach ohne Probleme weiterzeichnen. Das hat uns beiden gut getan.
Wir können gar nicht anders als kreativ sein. Wir gebären und zeugen (außer den physischen) geistige Kinder, die ganze Zeit, ob wir wollen oder nicht. Das Gute daran, dass wir Menschen sind: wir können uns aussuchen, welche geistigen Kinder wir zur Welt bringen und ob wir sie nähren, beschützen, wertschätzen und wachsen lassen wollen – oder nicht. Der KRIEGERSTOCK ist eins meiner geistigen Kinder.

Um kreativ zu sein muss man kein/e Künstler*in sein und keine Bilder malen. Kreativ kann auch ein Lied sein, ein Video, ein Kochrezept, ein Text, ein Fest, ein Gespräch, ein Streit, ein Garten, eine Idee, ein Computerprogramm, eine Strickmütze, ein Erfindung, eine Idee, ein Kampagne, eine Wohnungseinrichtung, ein Witz. Etwas Neues schaffen, was es vorher so noch nicht gab: das kann jeder und jede.