
Ich habe mal gelesen, dass man in der Permakulturplanung, z.B. bei einem Neubaugebiet, erstmal beobachtet, wo die Menschen herlaufen – und erst dann genau da die Wege anlegt. Das hat mir gefallen.
Permakultur kommt aus Australien. Bill Mollison und David Holmgren haben sie in den 70-er Jahren als nachhaltiges Konzept für Landwirtschaft und Gartenbau entwickelt. Sie hat sich weltweit verbreitet und wurde zu einer ökologischen Lebensphilosophie für die Gestaltung aller Bereiche des Lebens.
Permakultur? Ist das nicht, wenn alles durcheinander wächst? Ja – manchmal wächst alles wie Kraut und Rüben durcheinander, sieht jedenfalls so aus – aber dass das nicht unbedingt so sein muss und dass Permakultur mehr ist als Öko-Landbau, das habe ich erlebt bei Johanna Häger auf dem Hof. Sie hat einen Permakultur-Hof geschaffen: den Stein-Häger-Hof in der Uckermark.

Als sie mit ihrem Mann dort ankam, gab es ein Wohnhaus mit Stall, eine große Scheune mit ein paar Nebengebäuden und zwei Hektar kargen, kahlen Sandboden mit drei Bäumen. Das Gelände entsprach aber genau Johannas Vorstellungen: Die Gebäude im oberen Teil, das Gelände nach Süden abfallend, so dass das Regenwasser so geleitet und aufgefangen werden kann, dass es im Boden bleibt und nicht wegfließt.
Johanna Häger hat dann ein Jahr lang gezeichnet, Modelle gebaut und geplant. Ihre Grundidee war, einen essbaren Landschaftspark zu schaffen. „Gärtnern ist was ganz Persönliches. Wir alle tragen die Bilder vom Paradies in uns,“ sagt sie.
Darüber, wie dieser Ort vorher aussah und was sie damit vorhatte, hat Johanna ihre Diplomarbeit im Fach Permakultur-Design geschrieben. Der Titel der Arbeit ist: „Wandel“. Er spielt mit dem Wort „Lustwandeln“ – und zieht gleichzeitig die Verbindung zu dem Anliegen, das hinter dem Ganzen steht und das auch der Permakultur zugrunde liegt: den Klimawandel, den wir Menschen so stark beeinflusst haben, in die andere Richtung umzukehren.
Nachdem Johanna sich für ein Tonmodell des Geländes entschieden hatte, hat sie einen Radlader kommen lassen und die Topografie modelliert. Sofort war eine Veränderung der Windverhältnisse zu spüren, obwohl höchstens 40 cm tief ausgebaggert war.
Ein paar Wochen später explodierte die kahle Erde in einem Blumenmeer aus wildem Mohn, Kornblumen und Margariten.
Nach der topografischen Veränderung wurden Bäume und Sträucher gepflanzt und Benjeshecken aus aufgehäuftem Strauchschnitt angelegt – und die Vögel kamen. Und blieben. Jedes Jahr kommen mehr Singvögel auf das Gelände.
Permakultur arbeitet MIT der Natur, nicht gegen sie oder auf ihre Kosten. Im Gegenteil: In der Permakultur beobachtet man immer erst, was schon da ist, und schafft Bedingungen, die das Leben anlocken. Permakultur denkt in Systemen, Ganzheiten und Prozessen. Eigenschaften lebendiger Systeme sind z.B. Selbsterhalt, Selbstgestaltung, Wechselwirkungen, Feedbackschleifen, Diversität und Vielfalt. Die ethischen Werte der PK, die Allem zugrunde liegen, sind: Earth Care, People Care, Fair Share.
In Johanna Hägers Waldgarten zum Beispiel halten die Hühner die Pflaumenhecke grasfrei und düngen sie, so dass die jetzt kräftig wächst.
Beim Gärtnern, auch in der Markt-Gärtnerei wird Boden aufgebaut. Das hat zur Folge, dass man am selben Ort sehr lange Zeit („permanent“) ein lebendiges System erhält, das reiche Ernte bringt.

Permakultur erhält und vermehrt alte Sorten. Die Monokulturen der konventionellen Landwirtschaft sind extrem anfällig gegenüber Veränderungen im Klima, in der Umwelt, gegenüber „Schädlingen“. Vielfalt ist ein wertvoller Beitrag zu einem stabilen System.
Genauso wichtig wie „Earth Care“ ist in der Permakultur „People Care“. „Der Mensch gehört immer dazu. Er ist immer Teil des Systems.“ (Robert Strauch, Permakultur-Kursleiter)
So hat Johanna Häger am Anfang mit ihrer Familie auf engem Raum gewohnt, erstmal geschaut, was jedes brauchte, um sich wohl zu fühlen – und erst dann das Haus und die Zimmer geplant.
Wie Räume gestaltet sind, hat unmittelbaren Einfluss auf die Menschen – und auf ihre Beziehungen. Permakulturdesign arbeitet nicht nur mit ökologischen Bauweisen und Rohstoffen sondern gestaltet – genauso wichtig – Räume, Wege, Grenzen, Ausblicke, Öffnungen etc. – und wie diese miteinander in Verbindung stehen. Der „Wandelpfad“ verbindet und leitet durch die verschiedenen Zonen, zum Beispiel Zonen ungestörter Privatsphäre und Zonen für Geselligkeit und Zusammenkommen.
„Fair Share“
Genauso wie ein Projekt im Außen geplant wird, designt Permakultur den Prozess, wie man ein Projekt verwirklicht und die Form, in der die beteiligten Menschen zusammenarbeiten. Wie z.B. Entscheidungen getroffen werden, so dass jedes gehört wird und sich einbringen kann. Und dann das Ganze auch – hoffentlich – mitträgt.
Dafür gibt es Methoden, neue und uralte – Bürgerbefragung, Dragon-Dreaming, gewaltfreie Kommunikation, Ressourcen-Analyse und viele andere. Alternative Wirtschaftsmodelle gehören dazu. Permakultur fragt: was ist echter Wohlstand? Was macht unser Leben reich? Und nicht: Wie kann ich aus diesem Stück Land in kurzer Zeit am meisten Geld rausholen? „Besitz“ heißt immer Verantwortung.
Permakultur ist ein Abenteuer. Lebendige Systeme haben ihre eigene Dynamik. Man kann sich nie darauf verlassen, dass das, was man so schön bis ins letzte Detail geplant hat, auch genau so wird. Das muss man erstmal aushalten. Es wird auf jeden Fall nie langweilig. Kontrolle gegen Vertrauen einzutauschen kann Angst machen – aber auch eine große Erleichterung sein.
Permakultur ist ein mächtiges Werkzeug, mit dem der Wandel gestaltet werden kann. Die kurzfristige Ernte wird immer mit der langfristigen Ernte verbunden. Permakultur wirkt weit in die Zukunft, sehr weit. Sie ist ein Projekt für die kommenden Generationen.
Auf dem Stein-Häger-Hof fand der zweite Teil eines Permakultur-Kurses statt, Dozenten: Johanna Häger und Robert Strauch. https://permakultur.de/ort/permakultur-hof-stein-haeger